Die Weltfinanzkrise und ihre Auswirkungen auf Deutschland

(unveröffentlichtes Manuskript, April 2009)

Zusammenfassung:

Das Wort Finanzkrise wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2008 bestimmt. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Finanzkrise 2008 das vorherrschende Thema in der öffentlichen Diskussion in Deutschland war. In anderen Ländern verhält es sich ähnlich – die Finanzkrise hat die ganze Welt fest im Griff. Im Laufe des Jahres 2008 sind weltweit Banken in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Immobilienpreise und Aktienkurse sind massiv gesunken. Zeitweise drohte der Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems. Private Haushalte und Unternehmen erlitten empfindliche Vermögenseinbußen und das Vertrauen in das Finanzsystem und teilweise sogar in die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft wurden beschädigt. In der Folge hat sich das Wirtschaftswachstum in Industrie- und Entwicklungsländern deutlich verlangsamt. Für 2009 erwarten Forschungsinstitute und staatliche Institutionen in vielen Ländern eine tiefe Rezession. Für Deutschland wird mit einem Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung in der Größenordnung von zwei Prozent gerechnet. Was sind die Ursachen für die Finanzkrise? Wie überträgt sich die Finanzkrise auf die reale Wirtschaft außerhalb des Finanzsystems? Wie sollen wir mit der Krise umgehen? Eine endgültige Analyse dieser Fragen kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorgenommen werden, denn die Krise ist noch voll im Gange. Wir werden ihr genaues Ausmaß und die Gesamtheit der Folgen erst nach ihrer Beendigung beurteilen können. Es ist jedoch auch im Verlaufe der Krise zwingend erforderlich, die Ursachen genau zu untersuchen. Denn nur unter Kenntnis der Ursachen können Maßnahmen ergriffen werden, die tatsächlich eine nachhaltige Verbesserung der aktuellen und zu erwarteten wirtschaftlichen Lage bewirken. Maßnahmen, die nicht an den Ursachen ansetzen, sondern lediglich unsystematisch die Symptome bekämpfen, können sogar eine Verschlechterung der Lage herbeiführen oder das Ende der Krise hinauszögern.

Wie konnte es zu der Krise kommen? Verlässt man sich auf die in den Medien dargestellte öffentliche Meinung, dann sind es die „entfesselten Kapitalmärkte“, die für diese Entwicklung verantwortlich sind. Bundespräsident Horst Köhler hat es in einem Gespräch mit dem Stern am 15.5.2008 wie folgt formuliert: „Jetzt muss jedem verantwortlich Denkenden in der Branche selbst klar geworden sein, dass sich die internationalen Finanzmärkte zu einem Monster entwickelt haben, das in die Schranken gewiesen werden muss.“[1] Warum konnte dieses Monster so groß werden, dass es eine Gefahr für uns darstellt? Die öffentliche Meinung schreibt die Schuld zum einen der Gier skrupelloser Manager und zum anderen der zu starken Liberalisierung der Finanzmärkte zu. Aber sind das wirklich die Gründe? Ohne die einzelnen Handeln aus ihrer individuellen Verantwortung zu entlassen, ist klar festzustellen, dass die Gründe für die krisenhafte Entwicklung nicht nur in privatem Fehlverhalten, sondern vor allem auch in staatlichen Fehlentscheidungen und mangelhafter Wirtschaftspolitik zu suchen sind. Der Auslöser für die Finanzkrise war die spekulative Preisblase für amerikanische Wohnimmobilien. Zwischen 1997 und 2006 sind die Hauspreise in den USA geradezu explodiert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Blase platzen und schwerwiegende wirtschaftliche Verwerfungen auslösen musste. Sowohl die amerikanische Förderpolitik im Wohnimmobilienbereich als auch die Geldpolitik in vielen Ländern haben dazu beigetragen, dass diese Blase überhaupt entstehen konnte. Hinzu kommt, dass es weder im privatwirtschaftlichen Finanz- und Bankensystem noch auf staatlicher Ebene ein ausreichendes Risikomanagement gab. Banken und andere finanzielle Unternehmen sind Risiken eingegangen, die sie selber nicht mehr überschauen konnten. Und als deutlich wurde, dass das weltweite Finanzsystem kurz vor einem Zusammenbruch stand, gab es keine staatlichen Maßnahmenpläne. Der zivile Katastrophenschutz sieht regelmäßige Übungen vor, in denen der Umgang mit großen Unfällen, Wetterkatastrophen und ähnlichem geübt wird. Ähnlich sorgfältige Katastrophenpläne gibt es für den Bankensektor nicht, obwohl in der Vergangenheit immer wieder ähnliche Situationen zu beobachten waren. In Industrie- und Entwicklungsländern hat es auch vor der aktuellen Krise schon öfters bedrohliche Ereignisse im Finanzsystem gegeben. Es sei nur an die Asienkrise oder das Platzen der New Economy Blase 2001 erinnert. Statt planmäßig ablaufender staatlicher Rettungsmaßnahmen gab es vielmehr kurzfristig einberufene Krisensitzungen, in denen jeweils der dringendste Fall symptomatisch behandelt wurde. So ließen sich die allgegenwärtige Verunsicherung und der Vertrauensverlust nicht bekämpfen und die Krise konnte sich in dem sich nun abzeichnenden Umfang entwickeln.

[1] http://www.bundespraesident.de/dokumente/-,2.645252/Rede/dokument.htm

 

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